Erbrecht Spandau: Kann eine Erbausschlagung angefochten werden, wenn sich herausstellt, dass das Erbe nicht verschuldet, sondern doch wirtschaftlich gewinnträchtig ist?
Ob eine Erbausschlagung wegen Irrtums wirksam angefochten werden kann, richtet sich nach der Art des Irrtums, der zu der Erbausschlagung führte.
So kann bspw. ein Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 BGB zu einer wirksamen Anfechtung führen. Vorausgesetzt wird allerdings, dass der Irrtum zum einen verkehrswesentlich ist und zum anderen muss er auch ursächlich für die Ent- scheidung der Ausschlagung gewesen sein. Während Ersteres oftmals kein Problem darstellt, da das Erbe, ob es nun mit Schulden belastet ist oder nicht, einen verkehrswesentlichen Unterschied ausmacht, ist es mit der Ursächlichkeit der Entscheidung oftmals anders.
Wenn das Erbe aus dem Grund ausgeschlagen wird, weil befürchtet wird, Schulden zu erben, sich dann allerdings Ge-genteiliges herausstellt, wird eine bloße Befürchtung wohl nicht für eine wirksame Anfechtung ausreichen. Liegt der Entscheidung nämlich nur ein spekulativer Gedanke zugrunde, dass das Erbe nur möglicherweise negativ be- lastet ist, reicht dies für einen Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 BGB nicht aus. Vielmehr ist darin ein unbeachtli- cher Motivirrtum zu erkennen, weil sich die Person dann lediglich durch Hoffnungen und Befürchtungen in ihrer Motivation leiten lässt.
Wie sich der unbeachtliche Motivirrtum vom Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB abgrenzt, ist schwierig. Um einen Eigenschaftsirrtum zu unterliegen, der einem zu einer wirksamen Anfechtung befähigen kann, bedarf es mehr als eine bloße Vermutung bezüglich der Wirtschaftlichkeit des Erbes. Vielmehr muss eine Einschätzung unter den zugäng- lichen Fakten zu dem Beweggrund der Erbausschlagung geführt haben.
Wie das konkret aussieht, zeigte sich im Beschluss des OLG Düsseldorf vom 20.11.2020 – I-3 Wx 166/20.
Der Erbe vermutete aufgrund in Erfahrung gebrachter Fakten (vermüllte Wohnung, offenliegende Mahnungen und
Rechnungen, Bestattung durch die öffentliche Hand und Informationen des Nachlassgerichtes über noch offene Ver- bindlichkeiten), dass mit Annahme des Erbes die Schulden das hinterlassene Vermögen überwiegen würden. Nach der Erbausschlagung stellte sich allerdings fest, dass das Erbe doch wirtschaftlich gewinnbringend ist.
Durch die Bemühungen des Erben zeigte sich, dass er nicht nur einen spekulativen Gedanken hatte, der ihn zur Erbausschlagung bewegte. Die gesammelten Fakten deuteten nämlich aussagekräftig auf eine schuldenhafte Belastung hin. Er unterlag folglich einem Eigenschaftsirrtum und konnte dadurch die Erbausschlagung wirksam anfechten.
(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.12.2020, AZ 3 Wx 13/20)